Tests und Erfahrungsberichte
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1. Kleine Helfer für den Amiga-Alltag (von Christian Aichinger)
Herzlich Willkommen zu den kleinen Helfern im Januar. Ich hoffe ihr und
eure Amigas haben Weihnachtsstreß und Feuerwerk gut überstanden und sind
ohne Brummschädel oder andere "technische Defekte" im neuen Jahr erwacht
:). Diesmal gibt's Reviews zu den Programmen FlashMandelWOS, WB-Tools und
MemLib.
Viel Spaß beim Lesen!
FlashMandelWOS:
Mathematik ist zwar keine simple, aber dennoch eine wunderschöne
Wissenschaft. Diverse Fraktal-Programme beweisen diese Tatsache immer
wieder eindrucksvoll mit fantastischen Grafiken. Einer der jüngsten
Vertreter dieser Chaos-Künstler ist FlashMandelWOS, der neben den
sogenannten Mandelbrot-Grafiken auch Julia-Mengen berechnen kann. Neben
Schmankerln wie der direkten Unterstützung einer FPU (68881/2, 68040/60 und
PPC603e/604e) ohne Umwege über irgendwelche System-Libraries als auch
Lokalisierungen in Englisch, Deutsch und Italienisch kann vor allem der
schnelle Rendering-Algorithmus ("Divide et Impera") überzeugen. Zumindest
für 68k-Rechner ist mir kein Programm bekannt, daß Mandelbrot-Grafiken
schneller berechnen kann als FlashMandelWOS.
Screenshot:
Die Installation erfolgt komfortabel mittels Amiga-Installer, wobei sich
das Installer-Skript den neuen Features, die unter OS3.5 und 3.9
dazugekommen sind, gnadenlos bedient. So ertönt beim Installationsstart
ein heftiger Applaus und eine vorberechnete Mandelbrot-Grafik wird
eingeblendet. Schön zu wissen, daß sich auch Programmierer gerne mal auf
die eigene Schulter klopfen ;).
Nachdem alle Dateien kopiert und ein neues Assign in der User-Startup
angelegt wurde, muß der Rechner neu gestartet werden, und FlashMandelWOS
ist einsatzbereit.
Das Programm liegt als FAT-Binary vor, was heißt, daß das einzige Binary,
welches sich in der neuangelegten FlashMandel-Schublade befindet, sowohl
auf 68k-Rechnern als auch auf PPC-Rechnern nativ läuft. Eine eventuell
vorhandene PPC-Karte wird automatisch erkannt - vorausgesetzt ein WarpOS-
oder MorphOS-Kernel ist installiert. Im zweiten Fall wird die WarpOS/68k-
Emulation verwendet.
Nun gut, FlashMandelWOS ist installiert, und Zeit hat man auch erst mal
genug...dann kann die nette Zeitverschwendung, die die Berechnung einer
Fraktal-Grafik eigentlich ja ist, beginnen. Beim ersten Start wird ein
schrecklich flimmernder Interlaced-Bildschirm geöffnet. Nachdem ich zuerst
meine Sonnenbrille und danach den Bildschirm-Einsteller gefunden hatte, hab
ich meinen Augen erst mal etwas Gutes getan: einen augenfreundlicheren
Bildschirm eingestellt. Amiga-User, die über keine Grafikkarte verfügen,
sollten nach Möglichkeit auf einen der höherauflösenden AGA-Productivity-
Modes zurückgreifen, denn die minimale Bildschirmauflösung, die
FlashMandelWOS verwenden kann, beträgt 640x480 Bildpunkte. Ein Autoscroll-
Bildschirm tut's zur Not auch.
Der Funktionsumfang ist zwar nicht annähernd so umfangreich wie beim
Referenz-Fraktalisimus "ChaosPro", dennoch kann man ihn als völlig
ausreichend bezeichnen. Das Standard-Repertoire, wie das Speichern bzw.
Laden von Grafiken/Koordinaten, als auch Zoom- und Vorschaufunktion,
Eingabe der Berechnungstiefe, etc. wird jedenfalls prima abgedeckt.
Screenshot:
Verschiedene Berechnungsformeln, Farbpaletten-Editor und die Colorcycling-
Funktion runden den Funktionsumfang ab. Mehr als das braucht sowieso kaum
jemand, und außerdem wird die Bedienung des Programms damit zum
Kinderspiel. Einige Beispielgrafiken, die sich in der Distribution
befinden, zeigen, zu was FlashMandelWOS fähig ist. Ein Feature habe ich
dennoch vermißt: Fraktal-Grafiken können nicht im High- oder True-Color-
Modus berechnet werden. Mehr als 256 Farben kann FlashMandelWOS nicht
darstellen. Schade, denn erst bei dieser Farbanzahl zeigen fraktale
Grafiken ihre wahre Pracht.
Die minimalen Voraussetzungen an die Konfiguration sind: 68020-CPU, FPU,
Kickstart 3.1, 1 MByte RAM (16 MByte empfohlen) und OCS (empfohlen:
Grafikkarte und 17"-Monitor). Die Anleitung liegt als AmigaGuide-Datei in
den Sprachen Englisch, Italienisch und Deutsch vor.
Autor: Dino Papararo
Aminet: gfx/fract/FlashMandelWOS.lha
Programmversion: 1.5
Homepage:
Lizenz: Giftware
WB-Tools:
ARexx ist ja nun nicht wirklich schwer zu erlernen. Dennoch spielen meist
Terminkalender und unzureichende Freizeit wider dem Unternehmen, ARexx auf
Herz und Nieren zu untersuchen. Und seitdem sogar die Workbench ARexx
"versteht", sollte sich jeder ernsthafte Amiga-Anwender wirklich einmal die
Zeit nehmen, um sich mit dieser Materie näher auseinanderzusetzen, denn
ARexx zusammen mit der Workbench eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.
Martin Steigerwald beweist dies mit seinen, auf ARexx basierenden,
Helferlein "WB-Tools" - eine kleine Kollektion auserwählter ARexx-Skripte,
die die Stärken der neuen Workbench zum Vorschein bringen.
Screenshot:
So befindet sich in der Distribution das Skript "WB-Keys", welches die
Bedienung der Workbench auf intuitive Weise über die Tastatur ermöglicht.
Zum Beispiel kann mit den Cursortasten ein beliebiges Piktogramm im
aktiven Fenster selektiert werden. Return öffnet eine Schublade oder
startet die gerade angewählte Applikation. Backspace öffnet das
übergeordnete Fenster. Mit der DEL-Taste... na ja, das sollte klar sein ;),
und via Shift und den Richtungstasten auf der numerischen Tastatur (2,4,6
und 8) kann das aktive Fenster vergrößert bzw. verkleinert werden. Werden
diese Tasten ohne Shift betätigt, wird das aktive Fenster in die jeweilige
Richtung auf dem Bildschirm verschoben. Ach ja, mittels ESC-Taste kann ein
Fenster auch wieder geschlossen werden. Wunderbar!
Ein weiteres Skript namens "WB-Menus" erstellt unter dem Hilfsmittel-Menü
der Workbench einige interessante neue Menüpunkte. Mit "Fenster merken"
wird die momentane Anordnung aller Fenster gespeichert. Bewegt oder
schließt man einige dieser Fenster und geht auf "Fenster wieder
herstellen", wird der vorherige Ursprungszustand wieder hergestellt - eine
Art "UNDO" für die Workbench ;). Die beiden anderen neuen Menüpunkte "Alle
Fenster fixieren" bzw. "Alle Fenster schließen" benötigen sicherlich keiner
weiteren Erklärung.
Zu guter Letzt bekommt auch AmiDock seinen Senf weg: In der Schublade WB-
Toolbar befinden sich einige Skripte, die die Steuerung einiger Workbench-
Funktionen mit Hilfe von AmiDock (per Drag&Drop) zulassen.
Screenshot:
Die Skripte "Delete", "NewDrawer" und "Rename" sollten keinerlei Erklärung
benötigen. Läßt der Anwender ein beliebiges Workbench-Objekt auf einen
dieser AmiDock-Einträge fallen, wird die zugehörige Workbench-Funktion auf
genau dieses Objekt angewendet - so, als ob das entsprechende Pendant aus
dem normalen Workbench-Menü ausgewählt worden wäre. Besondere Erwähnung
verdienen die beiden letzten "AmiDock-Tools": ArcView und ArcAdd
ermöglichen es dem Anwender, auf einfachste Art und Weise mit Archiven zu
hantieren. Wird ein Workbench-Objekt (sei es nun Datei, Schublade oder
Laufwerk) auf das ArcAdd-Icon fallen gelassen, wird automatisch eine neue
Archivdatei von den übergebenen Daten angelegt. ArcAdd unterstützt LhA-,
ZIP- und LZX-Archive. Der Typ des Archivs wird durch das Suffix der im
daraufhin erscheinenden Datei-Requester angegebenen Archivdatei bestimmt
(.lha, .lharc, .zip, .lzx). Mit ArcView kann sich der Anwender vom
korrekten Inhalt des Archivs überzeugen.
Die Installation der WB-Tools wird in einem kurzen englisch- und
deutschsprachigen Textfile ausführlich erklärt. Benötigt wird OS 3.9 und
ein gestartetes RexxMast.
Autor: Martin Steigerwald
Aminet: util/wb/WB-Tools.lha
Programmversion: 1.1
Homepage:
Lizenz: GNU General Public License
MemLib:
Virtueller Speicher unter AmigaOS war schon immer ein Feature, das von
vielen Amiga-Usern schmerzlich vermißt wurde. Vor Jahren aus monetären
Gründen (Festplatten waren zu jener Zeit fast nicht bezahlbar, RAM schon
gar nicht...) und heute aus Gründen, die der fortschreitenden Überalterung
herkömmlicher Amiga-Hardware anzulasten sind: Amigas können leider kein SD-
RAM (ja, das billige, das es beim PC-Händler für ein Butterbrot gibt)
sondern nur das teure, kaum noch in ausreichenden Kapazitäten
vorzufindende, EDO-RAM verwenden. Und nun finde erst mal einer einen
solchen Riegel, der auch noch mit Blizzard, Cyberstorm und Co. klar kommt.
Selbst wenn man aufgrund von Bestechung oder fast schon unheimlichem Glück
an einen solchen 64er- oder gar 128er-Riegel (obwohl ich stark bezweifle,
daß es jemals 128-MByte-EDO-Riegel gegeben hat) gekommen sein mag, ist bei
128 MByte (im A4000) und 256 MByte (bei einigen Blizzard-Turbokarten für
den A1200) aufgrund von Beschränkungen der Busarchitektur Schluß.
Ansätze für virtuellen Speicher unter AmigaOS gab es schon einige: Der
erste dürfte GigaMem gewesen sein, in dessen Fußstapfen der hochgelobte,
leider in die Jahre gekommene und alles andere als stabile "Virtuell Memory
Manager" (kurz VMM) getreten ist. Abstürze und Obskuritäten aufgrund
Verwendung eines solch üblen Hacks waren an der Tagesordnung und nur
logische Konsequenz. Einen anderen Weg geht die memory.library von Thomas
Richter. Sie stellt dem Programmierer als ganz normale Amiga-Shared-Library
(halbwegs) systemkonforme Funktionen zur Verfügung, die es der Applikation
selbst überläßt, virtuellen Speicher zu verwenden oder eben nicht. Aufgrund
dieser Tatsache ist das aktuelle Softwareangebot, das einen Nutzen aus der
memory.library zieht, leider mager gesät oder besser gesagt: (noch) nicht
vorhanden.
Für reine Amiga-Anwender dürften die neuen Versionen der mmu.library und
des System-Optimierers MuRedox die Höhepunkte der memlib-Distribution sein.
Für Programmierer dagegen stellt das Archiv eine kleine Fundgrube dar:
Beispiel-Sourcen und -Binaries, Includes, AutoDocs nach den Amiga-Style-
Guides, überarbeitete Versionen der Entwicklertools "MuGuardianAngel" und
"MuForce", für die Ausgabe auf dem Drucker optimierte Anleitungen im
Postscript- und DVI-Format und, nicht zu vergessen, die eigentliche
memory.library sollten jedem ambitionierten Programmierer einen kleinen
Adrenalinstoß versetzen ;).
Voraussetzung für den Einsatz und die Verwendung der memory.library ist
AmigaOS ab V2 und eine funktionsfähige Installation der mmu.library, die
ebenfalls aus der Feder Thomas Richters stammt - sprich: Es wird eine
funktionsfähige 68k-MMU benötigt. Was ebenfalls nicht verschwiegen werden
soll, ist, daß sich die memory.library noch im Beta-Stadium befindet. Bug-
Reports werden vom Autor aber dankend entgegengenommen.
Autor: Thomas Richter
Aminet: util/libs/MemLib.lha
Programmversion: 43.5.1 (0.7)
Homepage:
Lizenz: freely distributable
So, das war's für Januar. Über Rückmeldungen freue ich mich wie immer.
Schreibt mir einfach eine Mail mit Vorschlägen, Verbesserungswünschen und
was euch sonst noch so einfällt :).
Christian Aichinger <christian@aakt.de>
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